Buchvorstellung "Das Ulmer Münster in Wort und Bild", 14.04.2015


Liebe Frau Hehn,

lieber Herr Dekan Gohl,

sehr geehrter Herr Wörner,

werter Herr Steenberg,

sehr verehrte Damen und Herren,

"Wir sind die Treibenden.
Aber den Schritt der Zeit,
nehmt ihn als Kleinigkeit
im immer Bleibenden.“

Dieser Auszug aus Rainer Maria Rilkes "Die Sonette an Orpheus / Erster Teil" scheint geradezu aufs Engste mit unserem Münster verbunden.

Das immer Bleibende - das Münster selbst, die Treibenden - die Menschen, die hinter dem Bau dieses einmaligen Gotteshauses stehen: Münsterbaumeister, Handwerker, die Ulmer Bürgerschaft, Mäzene. Diese Treibenden sind es auch, die dem Schritt der Zeit getrotzt haben und noch immer trotzen, in der Schaffung und im Erhalt dieses "immer bleibenden" Bauwerks.

In der über 600 Jahre dauernden Bauhistorie des Ulmer Münsters war sich der Großteil der "Treibenden" bewusst, dass sie niemals die Fertigstellung der Kirche würden erleben können - und dennoch machten sie sich auf den Weg und leisteten ihren Beitrag. Sie sahen den Schritt der Zeit als Kleinigkeit - mit einem klaren, hoffnungsvollen und freudigen Blick auf dieses "immer Bleibende".

Und genau mit einem solchen Blick hat sich Frau Ilse Hehn dem Münster genähert - und sie hat diesen klaren, freudigen, würdigenden Blick in ganz wunderbaren Fotografien eingefangen. Man erkennt auf jeder Seite des Bildbands: Das Münster will wahrgenommen, will betrachtet werden - in aller Ruhe - in all seiner Meisterhaftigkeit.

Diese Einladung spricht das Band auch an seine Betrachter aus: Wahrnehmen der kleinen dienenden Dinge im und um den Kirchenraum, Wahrnehmen des Alltäglichen wie z.B. des alten Holzgestühls, Wahrnehmen des Besonderen wie den Bemalungen und Schnitzereien. Seite für Seite wird eine neue Facette in den Fokus gerückt - visuell, aber auch verstärkt durch die Verbindung mit den besonderen Gedichten von Rainer Maria Rilke. Man schwingt beim Betrachten ständig zwischen zwei Fragen:

Die erste Frage: Hat Rilke eventuell genau diese Facette unseres Münsters betrachtet, als er die Zeilen schrieb?
Die zweite Frage: Auf welche Reise schickt uns die Künstlerin, wenn sie diese Fotografie mit eben diesen Zeilen in Verbindung setzt.

Ilse Hehns Bilder, begleitet von Rilkes Poesie, regen an zu einer neuen Betrachtung, zu einer bewussten Wahrnehmung und einer besonderen Auseinandersetzung mit dem Ulmer Münster, das vielleicht nicht nur für Ulmerinnen und Ulmer ein Sinnbild für Glaube und Hoffnung ist.

Rainer Maria Rilke hat das "Kunstwerk" an sich einmal beschrieben als tiefinneres Geständnis, das unter dem Vorwand einer Erinnerung, einer Erfahrung oder eines Ereignisses sich ausgibt und, losgelöst von seinem Urheber, allein bestehen kann.

Wie Ilse Hehn mit ihrem Werk eindrucksvoll zeigt, muss Rilkes Definition eines Kunstwerkes noch erweitert werden, denn seine Werke bestehen losgelöst vom Urheber nicht nur weiter, sondern können auch Teil eines neuen Kunstwerks werden.

Ein herzliches Dankeschön gilt deshalb Frau Ilse Hehn für Ihr künstlerisches Engagement und Ihre kreative Auseinandersetzung mit unserem Münster, aber auch dem Team des Gerhard Hess Verlags allen voran Herr Horst Wörner.

Sie haben uns hier ein ganz besonderes Geschenk zum 125jährigen Jubiläum des höchsten Kirchturms der Welt gemacht haben!

Neue Sichtweisen und einzigartigen Perspektiven dieses spirituellen Ortes zu entdecken, dieses Erlebnis wünsche ich Ihnen, heute Abend und bei der Lektüre dieses herrlichen Bild- und Lyrikbands!

Herzlichen Dank!

Sabrina Neumeister
Leiterin Kulturabteilung der Stadt Ulm