Eduard Schneider

zum Buch: Im Stein


Zum Geleit

 

In der deutschsprachigen Literaturszene Rumäniens, die in den 70er und 80er Jahren auch jenseits der Landesgrenzen mit einem gewissen Erstaunen und wachsendem Interesse wahrgenommen wurde, meldete sich Ilse Hehn als Stimme einer neuen Dichtergeneration zu Wort, die die Verhältnisse, in die sie hineingeboren war, mit den Mitteln der Literatur zu hinterfragen begann. Eine besondere Rolle spielte dabei die neue Lyrik, bot sie doch die meisten Freiräume, die als Zwang empfundenen, systemimmanenten politisch-ideologischen Sprachregelungen zu unterlaufen und der Dichtung dank einer entschlackten Sprache die Glaubwürdigkeit zurückzugeben, unabhängig davon, ob darin Befindlichkeiten des öffentlich-gesellschaftlichen oder des individuellen Erfahrungsbereiches zum Tragen kamen. „In Reih und Glied stehn die Worte / dicht gedrängt gegen das Leben // Sie durchbrechen / heißt alles“, formulierte Ilse Hehn damals in dem Text „Parolen“ als Zielsetzung ihres Schreibens, das für sie eine auch ins Gesellschaftliche zu übertragende Geste der Befreiung bedeutete. Eingedenk der Erfordernis eines bedachten Umgangs mit der Sprache ist ihre Lyrik am wirksamsten dort, wo eindringliche Beobachtung ins genaue poetische Bild umgesetzt ist. Besondere Erfahrungswerte übermitteln Gedichte mit unverkennbar autobiographischem Hintergrund. Eingebracht werden darin Landschaft der Herkunft, die Ankunft in Deutschland und das wachsame Einleben in die neuen Verhältnisse. Immer wieder wehrt sich die Lyrikerin gegen Routine des oberflächlich-gleichgültigen oder vereinnahmenden Umgangs miteinander, durch die die zwischenmenschliche Beziehungen wie auch der Vollwert des Einzelnen bedroht sind. Ein unterkühltes, manchmal melancholisches Parlando, das die Emotionalität keineswegs ausspart, ist bezeichnend für die Tonlage der Lyrik Ilse Hehns. Einprägsame spruchhafte Texte stehen neben längeren Erzählgedichten, berührende Liebesgedichte neben Pastellen und Impressionen, die mitunter an die japanische Landschaftsmalerei erinnern.

 

Eduard Schneider