Ilse Hehn
Parolen
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In Reih und Glied stehen die
Worte
dicht gedrängt gegen das Leben
Sie durchbrechen
heißt alles
(Rumänien, 1979)
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Ilse Hehn
VERDAMMTE SCHEIBE ZEIT
Knüpf dir die Augen auf
verdammte Scheibe Zeit und
rolle nicht von unsrem
Tisch
hier wird gewürfelt um
Brot und Fisch
hier wird geknebelt geleckt zer
kaut geschwiegen gesprochen
das Wort
die Macht
(Rumänien 1980)
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Ilse Hehn
UNVERKÄUFLICH
Hätten wir das Wort,
hätten wir die Sprache,
wir brauchten
die Waffen nicht.“
(Ingeborg Bachmann)
Unverkäuflich
unbestechbar im Wort
seine Grenzen akzeptieren
Klarheit und Abgrund rund das
Wort doch keine Münze
in uns benennt es Dinge Leben und
Nichtsein im Wort sein das Wort sprechen
wortreich wortgewandt das Wort haben
doch
das Wort ist keine Ware
aber wer glaubt schon daran
(Rumänien 1980)
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MORGEN
Wichtig:
eine schöne graue Brücke
über einen schönen grauen Fluß
der durch eine schöne graue Stadt fließt
die ich in einem schönen grauen Gedicht
nicht besinge
da ich morgen
einen schönen grauen Strich ziehen werde
rot
(Rumänien 1979)
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VORWORT:
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Inge Meidinger-Geise / Erlangen
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DEN GLANZ
ABKLOPFEN
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Seit der
Zerschlagung der sozialistischen Diktatur in Rumänien erfährt die deutschsprachige
Literatur mit der nun offenen demonstrativen Repräsentation deutsch-rumänischer
Autoren anhaltende Bereicherung. Aktuelle Erfahrungen von Einengung, ja
Verfolgung und Widerstand schuf und schafft hier in frisch-mutiger Sprache
voll eigenwilliger Metaphern in Prosa und Lyrik imponierende Aussagen. Von
Dieter Schlesak bis Herta Müller, von Franz Hodjak bis Richard Wagner beispielsweise
kann der Leser nacherleben, nachvollziehen, was in unserer Zeit sich nicht
glättete an Diktaturen und mehr. Das Trauma der hier stellvertretend genannten
Autoren blieb Realität!
Ilse Hehn
studierte Bildende Kunst in Temeswar und wirkte als Gymnasiallehrerin für
Kunst und Kunstgeschichte in Mediasch/Siebenbürgen. Seit 1973 veröffentlichte
sie in ihrer Heimat in deutscher Sprache Lyrikbände und Kinderbücher. Lyrik-Anthologien
in Rumänien, Deutschland, Österreich und Ungarn nahmen ihre sensiblen, vom
Zeiterleben und dem seelisch-geistigen Widerstand gezeichneten Texte auf.
1988 erhielt sie den Lyrik-Preis “Adam Müller-Guttenbrunn“ in Temeswar und
den Deutschen Kinderbuch-Preis in Bukarest.
Durchhalten
und Kontakte „nach draußen“, wie die Zugehörigkeit zur Europäischen Autorenvereinigung
„Die Kogge“ in Minden/Westfalen und der Esslinger Künstlergilde bestimmten
Leben und Haltung. Die notwendige Übersiedlung 1992 führte Ilse Hehn nach
Ulm, wo sie als Kunstpädagogin und Dozentin für Malerei wirkt.
Der neue
Lyrikband „Den Glanz abklopfen“ gibt Rechenschaft über drei Jahrzehnte lyrischer
Aussage, davon zwei wesentliche Abschnitte aus rumänischem Lebens- und Sichtbereich.
Der 1.
Teil, 1973 – 1983, deutet die Auseinandersetzung mit diktiertem, politisch
beengtem Wort und der Freiheit im Denken und Reden an. Der 2. Teil, 1983
– 1993, bekräftigt solche Durchbrüche. All dies geschieht ohne plakative
Direktheit, eher weiblich verhalten und mit eingängigen Wortbildern: Das
Gedicht “Nächtlich“ ist dafür ein Beispiel. Der Reim, das taktierende Melos,
auch das Figuren-Gedicht demonstrieren die Formbewegung mit Tradition und
Moderne der Lyrik auf natürliche Weise. Die Vielfalt der Aussagetechniken
umschließt den Kern von Angst, Wissen um Nötigungen und leise Hoffnung auf
Lösungen. Die Liebe ist da eine Kraft, wie das Gedicht auf die Mutter aussagt.
Jedoch auch diese Kraft wird zumeist kritisch analysiert. „Angekränkelt“
im Hamlet-Sinne sind Gefühl, Wahrnehmung, Ausblick. Traum und Wirklichkeit
stehen da nebeneinander. Auch die Kinderwelt, die Schulerlebnisse werden
in die Spannung einbezogen. Ein besonderer Fund: Das elegisch bildereindringliche
Naturgedicht „August in Michelsberg“. Hier zeigt sich das Aufgehobensein
in unverbrauchter Sicht und Sprache. Der verstorbene Ehemann, der fast erwachsene
Sohn leben mit im Rhythmus des Übergangs in das heutige Deutschland, dem
der 3. Teil von 1993 – 1998 gewidmet ist.
Man öffnet
sich lesend – teilnehmend der schwierigen Ein-Sicht in die kühle Offenheit
des deutschen Lebens und der Problematik illusionsloser Anpassung. Ein Motto
für das mutige Erkennen gestern und heute: „Den Glanz abklopfen“!
Jeder
Satz dieses nachdenklich imperativen Gedichts könnte über dieser ganzen
Lyriksammlung stehen. Er charakterisiert auf „Hehn’sche“ Weise die Tendenz
der literarischen Zeit-Arbeit, auch der Landsleute der Autorin.
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REZENSIONEN:
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Das eigene Erleben
als Gradmesser der Wirklichkeitserfahrung im Osten wie im Westen
Von Ingmar Brantsch (DOD)
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Ilse Hehns
sechster und wohl gewichtigster Lyrikband besticht vor allem durch die Klarheit,
mit der sie versucht der Wirklichkeit in dem Totalitarismus Ceausescus und
in der globalisierend nivellierenden Konsumwelt des Westens lebens- und
vor allem auch liebenswerte Seiten abzutrotzen mit den Mitteln der Dichterin,
Sprachverdichtung durch Stilfiguren, aber auch – antithetisch dazu – durch
Lakonismen.
Diese
Bandbreite füllt sie zudem mit der besonderen Sensibilität der Malerin für
Nuancen. Ihren Gedichten fügt sie auch ein halbes Dutzend eigenwillige Collagen,
gewissermaßen auch Textcollagen, bei, in denen Einzelwörter in eine ungewöhnliche
Farbumgebung sinnintensivierend projektiert werden.
Es ist
vor allem ihr unbestechlicher Blick hinter die Kulissen der Vorzeigewelt
– sei es der der Losungen oder die der Reklame – die diesen Gedichten einen
Wirklichkeitsgehalt gibt, wie ihn nur Poesie sprachverdichtend dem Leser
– nicht selten schmerzhaft – ins Bewußtsein bringt.
Aus diesem
Grund wird das sicherlich gutgemeinte – wenn auch etwas schulterklopfende
– Vorwort von Inge Meidinger-Geise dem Anliegen und vor allem der sprachlichen
Gestaltung dieses Anliegens durch die Autorin mit ihrer ganz spezifischen
Sprechweise innerhalb der rumäniendeutschen Literatur nicht gerecht.
Ihre Einordnung
Ilse Hehn in ein „Ahnengalerie von Dieter Schlesak bis Herta Müller, von
Franz Hodjak bis Richard Wagner“ als Autoren von „...was in unsrer Zeit
sich nicht glättete an Diktaturen und mehr“, und dies auch noch unter dem
Generaltitel „...aktuelle Erfahrung und Einengung, ja Verfolgung und Widerstand“
folgt dem inzwischen abgehalfterten Klischee vom heldischen Dissidententum,
das im Totalitarismus so hoch und her gar nicht möglich war, weil eben der
Totalitarismus das Heldentum in diesem klassischen Sinne von vornherein
abwürgte, sonst hätte er seinen gleichschaltenden Totalitätsanspruch aufgeben
müsse, was er aber nicht tat, sondern nur – oft auch auf recht plumpe Weise
– zu tarnen suchte.
Schon
einfach menschlich zu bleiben, mit seinen Schicksalsgefährten und Leidensgenossen
anständig umzugehen, war eine mitunter beachtliche ethische Leistung. Gerade
diese Feinheiten des real existierenden Sozialismus und der real werbenden
Konkurrenz- und Reklamesprache deckt Ilse Hehn auf und verzichtet
aufrichtigerweise auf die inzwischen im Westen schon fast Selbstbeweihräucherung
annehmenden Ausmaße vom Märtyrertum ehemaliger im Osten mit Staats- und
Parteipreisen Ausgezeichneten. Ihr Gedicht „Das rote Klavier“ zeigt
die Unverwüstlichkeit dieses Opportunismus der Wendelhälse:
„Auf dem
Wasser schwimmt ein Klavier,/ drauf sitzt, passt auf, ein hohes Tier./ Das
sitzt darauf und redet, schwitzt, /springt auf und setzt sich, sitzt / auf
glänzend poliertem Furnier. /Es geht nie unter, das rote Klavier.“
Die pseudoprogressive
Masche kommt an. Momentan im Westen wie vormals im Osten. Funktionierende
Funktionärsliteratur mit rotem Anstrich egal ob im Ost oder West. Im Gedicht
„Oft vergesse ich“, entlarvt Ilse Hehn nicht das Land des Lächelns der Operette,
sondern das Europa des keep smiling Ost wie West. Doch selbst bei dieser
Alltagsmaskerade bleibt Hoffnung dem Horror des Alltags zu entrinnen, etwa
in der Romantik der Nacht wie das Gedicht „Tagsüber“ antithetisch aufzeigt.
Im Gedicht
„Wenn nachts“ wird diese Antithese noch schmerzlich konkreter, denn wenn
im Dunkeln alles furchteinflößend knarrt und raunt, ist das Licht der angeknipsten
Leselampe auch nichts anderes als angsteinflößend. Eine schöne persönliche
Erfahrungsbeschreibung ähnlich dem Schwarzen Humor des größten rumänischen
Erzählers Ion Creanga, der seinen Helden tröstet „schwer war es für dich
bisher, doch von nun an wird es auch schwer für mich sein“. Im Gedicht „Morgen“
wird sie unter dem grauen Alltag „einen schönen grauen Strich ziehen / rot.“
Eine überraschend befreiende Schlußstrichmentalität zum Aktiven hin. Im
Gedicht „Meine Hände“ führt die Aufzählung dessen, was sie alles ihren Händen
zuschreibt nicht zu einem erlösenden Crescendo in der Form einer Rettung
sondern im Gegenteil zu einer geballten Abrechnungsbilanz: „Meine Hände
vertagen nicht“. Dieser Band heißt ja auch nicht umsonst den Glanz abklopfen
und nicht darauf pinseln.
Doch auch
im Horror des Ostalltags „Was allgemein bekannt ist“ lässt sie sich nicht
unterkriegen, unterläuft mit ihrer Phantasie schlitzohrig die Inspektion
des Direktors in ihrer übergroßen Klasse von 38 Schülern. Statt sich zu
fürchten, überkommt sie die Lust „wenigstens vor mich hin zu summen / ein
Kind anzulächeln / lila Bäume zu malen grüne Sonnen / mal ein Gedicht darüber
zu schreiben“.
Dagegen
bricht sie in „Don Quichotte“ eine Lanze für die Liebe, die zeitlose diesmal.
Eine schöne Verlebendigung einer – auf Neudeutsch – uralten „Beziehungskiste“.
Statt der Tretmühle, der hektisch getretenen – die zeitlose Windmühle. Ilse
Hehn weiß um das Geheimnis der Liebe in der Freiheit wie ihr Gedicht „Schwimmen“
die erfahrene Liebe, die reife Liebe, die Raum lässt zur Selbstverwirklichung
beschreibt.
Ilse Hehn
kam 1992 nach Deutschland und musste ganz von vorne beginnen. Sie schlüpfte
nicht in eine Nische der Ostblocknostalgie oder gar des selbsternannten
Dissidenten-heldentums. Schon 1984 verwitwet, hat sie sich als allein
erziehende Mutter durchs Leben schlagen müssen und ein Gespür entwickelt
für den zweiten Blick, den Blick hinter die Kulissen. Ihren zweiten Blick
hat sie sich auch im Westen bewahrt, und wie auch ihr letztes Gedicht aus
diesem Band „Trotzdem“ zeigt, ist er differenziert geblieben.
Ihr Bild
von Deutschland fängt realistisch in einem hochentwickelten Industrieland
auch dessen Nüchternheit, ja sogar Kaltschnäuzigkeit und Hektik ein. In
der Anonymität der Großstadt trägt man sein Herz nicht auf der Zunge, wirkt
komisch, falls man es unbekümmert tut, und den Freundeskreis zu finden,
wo man sich getrauen kann dies zu tun, braucht Zeit.
Diese
Zeit ist meist die der Jugend, die des Studiums, die beim Bund, oder die
in diversen Ausbildungen verbrachte. Alle diese Zeiten haben späte Aussiedler
nicht in ihrer neuen Heimat. Zudem herrscht am Arbeitsplatz meist Konkurrenz
und ein Vertrauensverhältnis entwickelt sich nur allmählich. Doch auch hier
resigniert Ilse Hehn nicht. Sie ist angekommen im Deutschland von heute,
in dem sie wieder als Kunsterzieherin wirkt, und das sie auch gefühlsmäßig
bestrebt ist sich nahe zu bringen, da es naturgemäß ihren Vorstellungen
aus der Ferne nicht entsprechen konnte, dafür wurde aber ihre Begegnung
mit dem tatsächlichen Deutschland von heute auf ihre eigene Art zum unverwechselbaren
lyrischen Bericht.
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Anneliese Merkel
Unterwegs im Wort
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Die aus
dem Banat stammende und seit 1992 in Ulm lebende Schriftstellerin und Kunstpädagogin
Ilse Hehn legt mit „Den Glanz abklopfen“ Gedichte aus drei Jahrzehnten vor.
Die Gliederung in drei Teile geht von der Erfahrung des gefährdeten und
gefährlichen Umgangs mit Sprache und der Diktatur aus (1973-1983). Im zweiten
Teil (1983-1993) wird dem Leser die nicht zu unterdrückende Kreativität
des künstlerischen Ausdrucks vor Augen geführt. Diese mündet schließlich
im dritten Teil (1993-1998) in die Auseinandersetzung mit dem heutigen Deutschland
und ihre Auswirkung auf Sprache und Dichtung der Autorin.
Die Übergänge
zwischen den einzelnen Teilen sind fließend, denn immer ist es das Wort,
das, zunächst achtsam geortet und hymnisch besungen, die willkürlich gezogenen
Grenzen überschreitet. Ilse Hehn bedient sich der Sprache nicht, um in ihr
zu verweilen, sondern um sie zu durchbrechen: „sie durchbrechen / heißt
alles“ in „Parolen“. Dieser Durchbruch verhilft ihr und dem Wort zu einer
Öffnung in anderen Dimensionen, vornehmlich in die der Kunst. Schon rein
optisch wird der Leser darauf verwiesen, denn die ebenfalls von der Autorin
stammenden Collagen in diesem Band sind so aufeinander bezogen, dass Bild
und Text eine Symbiose eingehen, in der die wechselseitigen Aussagen beider
Kunstgattungen einander bedingen und darüber hinaus dieses Buch zu einem
ästhetischen Genuss für Auge und Hand werden lassen.
„Den Glanz
abzuklopfen“ beginnt Ilse Hehn bereits unter der Diktatur. In „Wir haben
versucht“ heißt es mit feiner Ironie: „heute ja heute da wünschen wir uns
/ kein rotes Osterei“. Das graue Gesicht ihrer Stadt versucht sie gar nicht
erst in ein graues Gedicht zu bannen, da der Ausblick auf morgen keinen
anderen Schluss zulässt, als „unter alles einen schönen grauen Strich zu
ziehen, rot“ (in: Morgen). Mit „Lass uns sein“ kündigt sich schon der innere
Aufbruch an, jene Leichtigkeit der Feder (der Schreibenden), die die Leichtigkeit
des Vogels im Flug übersteigt.
Im zweiten
Teil künden sich erste Risse an im Fußboden (im System), die beunruhigen
und die auch nicht durch die Wärme des darübergelegten Teppichs beseitigt
werden können. Von nun an „wird gewürfelt um Brot und Fisch“ (in: “Knüpf
dir die Augen auf“). Es geht um Wort und Macht. Die Macht des Wortes tritt
an gegen das Machtwort. Bevor dieser Kampf entschieden ist, stimmt die Autorin
noch einmal ihren lyrischen Gesang an und lässt Landschaftsbilder von eindrücklicher
Schönheit in einer Kargheit entstehen, für die sie nur weniger Skizzen bedarf,
um sie in Seelenlandschaften zu verwandeln. So in „Rumänischer Winter; Umzäunt;
Banater Dorf mittags; Täglich“. Ein kleiner Schritt nur ist es, persönliche
Verlusterfahrungen mit dem Naturerlebnis zu verknüpfen und es gleichzeitig
zu überhöhen, denn „wir sind entlaubt / in einer Liebe / die unvermessen
blieb“ (in: Entlaubt). Und wieder ist es das Wort, das treffende, rettende,
das sie begleitende, wenn sie spricht „von den Reusen im Wort / dem abgemähten
Himmel“ (Rost).
Je weiter
sich die Autorin an die Ränder des Wortes wagt, um so kühner, experimenteller
wird ihre Sprache. Konkretes öffnet sich dem Visionären, denn „es gibt noch
andere Wirklichkeiten“. Eine davon ist die bildende Kunst, der die Autorin
sich mit den Mitteln der Sprache nähert. Von Betrachtungen zu Max Ernst,
Salvador Dalì, Renè Margritte und Marc Chagall geht sie aus und befindet
sich alsbald „auf der Suche nach der dritten Dimension“, eine Suche all
derer, die nirgends verwurzelt sind (Verwurzelt nirgends). Eine Triebfeder
bei dieser Suche ist die Sehnsucht, denn noch sind die Erlebnisse patriotischen
Arbeitsdienstes gegenwärtig (Schülerballade). Das Lied, „das niemand kennt“
(Auf der Brücke), ist gefangen, aber es träumt sich frei und „an den Rippen
des Tages / frisst das Licht“ (August in Michelsberg).
Im dritten
Teil „Den Glanz abklopfen“, spricht die Autorin den Tag an. Das Licht hat
sich Bahn gebrochen, doch der Glanz, der sich unter ihm entfaltet, ist fragwürdig.
„Im Hinterhalt jeden Zweifel / wach halten“, mahnt Ilse Hehn in „Nicht zu
vergessen“. Dieser Hinterhalt wird indes für sie zum Hintergrund,
auf dem sie ihr gesamtes Repertoire künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten
entfalten kann. Mit treffsicheren Metaphern und kühnen Bildern lässt sie
frische Farben aufleuchten, die die Möglichkeiten einer neuen Sehensweise
eröffnen. Vom lakonischen Aphorismus (Schnee) bis hin zu expressionistischen
Traumsequenzen, die das Konkrete einschließen wie die Muschel die Perle,
zeigt sie die Bandbreite lyrischer Möglichkeiten auf. Im Gedicht „Am Strand“
heißt es: „wie dein Kuss in die Hand springt / ein Fisch mir mitten ins
Herz am Strand der / Müll unserer Zeit“.
Das Resümee
ihrer Erfahrungen gipfelt in der Aussage des Gedichts „Jetztzeit“. Es „gilt
das was sich / am steilen Grat / zusammengedrängt als kostbare / Jetztzeit
Wir packen die / Sehnsucht in Zeitungspapier zersägen die Sätze / in Worte
Zäune für morgen Hektisch / sprichst du von Liebe“.
Ilse Hehns
Gedichte sprechen vom Unterwegssein im Wort mit dem Wort. Sie haben es verdient,
beim Leser anzukommen und von ihm angenommen zu werden.
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