Gleich Botschaften krallen Wellen mit spitzen Fingern
ins
Fleisch der Felsen toben kämpfen wie Feinde darüber ein
spinnenförmiger Himmel der
Dolch Sonne
dort Vögel wie Decksteine reglos auf den Klippen
umarm mich sagst du drückst mein Knie an den Stein wir
folgen den Göttern ins Jenseits im Boot unserer Körper ablesbar deine Küsse
wie am gefälteten Gneis die Metamorphose des Steins
dickbäuchige Nester der Kormorane an den Klüften der
Felswände
Inseln (augenklein) verschwinden im Dunst der ersten
und letzten Welle im Gehör des Wassers am
Rand der Erde:
Finistère
wir ergreifen den Mittag das ertrunkene Land – armor
Watt und Meer eingescannt in deiner Haut
zärtlich nass unsere Zunge als wär’s ein anderes Leben
nicht eingeschlossen im Kern einer Traube in der Haut der Schlüsselblume
(matt unter der Oberfläche ängstlich) – wir
Spiel der Gezeiten
die scharfe Klinge der Steine im Brennpunkt flimmernder
Hitze zeichnet das Abbild der Ewigkeit
dieses Gleiten der Kähne gelöst wie unsere Worte
herrenlos frei die Linie der Vögel
Am dünnen Seil hängt der Augenblick, schutzlos unsere
Helle die geöffnete Stunde (doch) der Atlantik trägt den Himmel voller Weiterungen
vertraut
sich selbst
entflogen die Felder ihr buntes Harlekinskleid
jeder Flicken durch windenüberwucherte Erdwälle gegen
den anderen abgesteppt fern der träge Schritt bretonischer Kühe die
dampfende Senke Land –
finis terrae!
Gewohnheiten der Krebse zwischen der kalten Last der
Steine
die Küste stößt mit roten Granitzähnen ins Wasser zersplittert
Zeit
manchmal bringt das Meer seine Schwächen mit in Gebärden
empfindsam als gäb’s einen Beweis für sein Geheimnis als wöge es Licht zerstäubt
in stürzendes Silber
* * *
Ilse Hehn
STÖRUNGEN
Die Asche zwischen den Küssen
die Asche zwischen den Zehen
die Drogenschachtel zwischen dem Salat
hey, ich kann fliegen!
Ceausescu, der seine Schuhe fickte
ein Lustspiel mit System
Farbe Rot der Manager
Wir waren einfach tot
wir waren ein Insider-Witz
Matrizen sprachloser Jahre
Und die Legenden der Geschichte
um uns Gott zu entwöhnen
das Leben an Drähten
unsere Haut an Drähten
das Kind ein Kelch
der Vater schlürft Wein
Gespenster im Sofakissen
die Mutter spielt Zeitspiele
das Brot weint
Die Liebe ist eine Portion Sand
ein Sandhimmel aus
Himmel gemacht du kannst
mich reinlegen
die Maschinerie der Küsse wenn
die Nacht am leersten ist
die Liebe schmeckt nach Symptomen
ich sehe so gekürzt in deinen Augen aus
ich wuchere zurück
Liebe ist ein Schattenspiel
Liebe ist ein Kalenderblatt
Rom, 12. 08.1999
1...2...3....und
du bist raus
(Rom 1999)
* * *
Ilse Hehn
VIA APPIA NOVA ABENDS
Zwischen dem Hin & Her San-
tissima Trinità dei Monti und
Spanische Treppe in den Metro-
Tunnel den Bauch Roms gefallen
in die Zwergenwelt der Gegenwart
zu gespenstischen Resten einer
Art Biomüll zusammengeschrumpft
ausgespuckt weitab von Bernini und
Bramante ins schwarze Maul
der Veritá welche auf solch triste
Art die Architektur unserer eigenen
Epoche der Lächerlichkeit preisgibt
Der Tag versenkt sich in Ödschaften
unsere handkolorierten Träume
steigen planvoll ins Bild
(Rom 2003)
* * *
Ilse Hehn
HEI, LIEBE
Das kleine, grausame Tier
als würde es beten, als würde es fluchen
Ich untersuche das Fossil
so schäbig, so scheinheilig
die alte schlampige Mythe
keine Erinnerung an Umarmung und mehr
Hei, Liebe – ich hab noch
eine Rechnung offen!
(Rom 1999)
* * *
Ilse Hehn
EIN WEITES GEFÜHL
Tja, die alte Masche
von Zählen der Blütenblätter, ein Glas Wein auf
der Terrasse, die Nachglut der Küsse über dem Grün.